lunedì 28 novembre 2011

19061130

DER JOGAPFAD, DIE CHRISTLICH-GNOSTISCHE EINWEIHUNG UND DIE ESOTERIK DER ROSENKREUZER Köln, 30. November 1906

Vor Mitgliedern - GA 97 Das Christliche Mysterium (A)

#G097-1968-SE182 - Das Christliche Mysterium
#TI
DER JOGAPFAD, DIE CHRISTLICH-GNOSTISCHE EINWEIHUNG
UND DIE ESOTERIK DER ROSENKREUZER
Köln, 30. November 1906
#TX
20111128 16:52
Durch die Einweihung wird der Mensch zur Erkenntnis höherer Welten befähigt. Sie besteht in einem intimen Entwickelungsgang unserer Seele. Die Wege dazu sind bei den verschiedenen Menschen verschieden, aber die Wahrheit ist überall dieselbe. Wenn man erst auf dem Gipfel eines Berges steht, hat man nach allen Seiten eine freie Aussicht. Aber es wäre ein großer Unsinn, wenn wir nicht den nächsten Weg von dem Punkte aus gehen wollten, wo wir gerade sind, um den Gipfel zu erreichen. So ist es auch mit der Einweihung. Wenn wir am Ziel angekommen sind und wirklich die freie Aussicht der Erkenntnis errungen haben, dann ist diese Erkenntnis für alle dieselbe.
Es ist aber nicht gut, wenn der Mensch einen andern Entwickelungsweg geht als den, der seiner Natur angemessen ist. Eigentlich müßte es für einen jeden Menschen einen besonderen Einweihungs-weg geben. Alle Wege gehen aber auf drei verschiedene Typen zurück: auf den Jogaweg, die christlich-gnostische Einweihung und die christlich-rosenkreuzerische Einweihung. Einen dieser drei ver­schiedenen Wege kann man also beschreiten. Sie sind deshalb verschieden, weil es drei Gattungen von Menschen gibt. Unter den europäischen Menschen findet man nur wenige, welche den orientalischen Jogaweg gehen können. Daher ist es für den Europäer im allgemeinen nicht richtig, wenn er den Jogaweg geht. Drüben im Orient leben die Menschen in einem ganz andern Klima, unter einem ganz andern Sonnenlichte. Die Verschiedenheit des Orientalen vom Europäer wird die Anatomie nicht so leicht nachweisen können, aber es ist unter ihnen ein tiefer seelischer und geistiger Unterschied, und dieser muß berücksichtigt werden, da die innere Entwickelung tief eingreift in die seelische und geistige Natur des Menschen. Die feinere Struktur des Hindugehirns ist für den Anatomen nicht wahrnehmbar. Aber wenn man dem Europäer das zumutete, was man dem Inder zumuten kann, dann würde man ihn zugrunde richten. Man kann dem Inder gewisse Verrichtungen vorschreiben, die dem Europäer gar nichts nutzen
#SE097-183
16:55
oder ihm sogar schlecht bekommen. Der Jogaweg stellt vor allen Dingen an den Schüler eine Grundforderung, ohne deren Erfüllung es gar nicht möglich ist, diesen Weg zu beschreiten. Er fordert die strenge Autorität eines Lehrers, eines sogenannten
Guru. Wer ihn gehen will, muß sich bis in die Einzelheiten des Lebens hinein den Anordnungen des Guru fügen. Abgesehen davon ist der indische Jogaweg kaum zu gehen, wenn man sich nicht aus den äußeren Lebensverhältnissen herausreißt. Es ist nämlich notwendig, daß die verschiedensten äußeren Maßnahmen getroffen werden, um die vor­geschriebenen Übungen zu unterstützen. Wenn man gewisse Erlebnisse hat, die auf die Gefühlswelt einen Eindruck machen, so wird dies, wenn man eine innere okkulte Entwickelung durchmacht, einen tiefgehenden Einfluß haben. Darum muß der orientalische Jogaschüler in allen Einzelheiten des Lebens den Guru fragen. Wenn man irgendwelche Veränderungen im Leben vornehmen will, so muß man sich von dem Guru dazu die Richtung weisen lassen. Also ist der Jogaweg ein solcher, der die absolute Unterwerfung unter den Guru voraussetzt. Man muß lernen, mit den Augen des Guru zu sehen, und lernen, wie er zu fühlen. Man kann diesen Weg nicht gehen ohne tiefes Vertrauen, ohne vollkommene Liebe, vereint mit uneingeschränktem Vertrauen und bedingungsloser Hingabe, die alles andere übersteigt.
Bei dem christlich-gnostischen Weg gibt es nur einen großen Lehrer, den zentralen Guru. Erforderlich ist da der Glaube an den Christus Jesus selbst, nicht nur an seine Lehren. Der christlich-gnostische Schüler muß glauben können, daß in dem Christus Jesus die einzige hohe göttliche Individualität inkarniert war, eine Individualität, die nicht zu vergleichen ist mit irgendeiner andern, selbst der höchsten Individualität.
Alle andern Individualitäten haben auf dieser Erde auf einer niedrigeren Stufe angefangen und sind dann aufgestiegen, wie Buddha, Hermes, Zoroaster, Pythagoras, so daß ihre geistige Gestalt das Ergebnis vieler vorhergehender Inkarnationen ist. Bei dem Christus Jesus ist das nicht der Fall. Er läßt sich nicht vergleichen mit irgendeiner andern Individualität, mit irgendetwas anderem auf der Erde. Ohne diesen Glauben würde man den rein christlich-gnosti­schen Weg nicht gehen können.
#SE097-184
17:08
Ein dritter Weg ist
der christlich-rosenkreuzerische. Da ist der Lehrer der Ratgeber, der seinen Rat vorzugsweise auf die Maßnahmen der geistigen Entwickelung selbst beschränkt. Diese geistige Entwickelung muß so eingerichtet werden, daß sie einen durchgreifenden Einfluß auf das Leben des Menschen hat. Ein Lehrer muß bei der Einweihung immer da sein. Eine ernsthafte Einweihung ohne Lehrer gibt es nicht. Wer das behaupten wollte, würde etwas ebenso Törichtes sagen wie jemand, der die Geburt eines Kindes ohne das Zusammenwirken der beiden Geschlechter als möglich erachtete. Die Einweihung ist ein geistiger Befruchtungsprozeß. Wenn dieser nicht in dem Dualverhälmis zwischen Lehrer und Schüler herbeigeführt würde, so wäre er sogar ein schädlicher Vorgang.
Der indische Jogaweg unterscheidet sieben Stufen. Aber sie folgen nicht immer alle nacheinander in derselben Reihenfolge. Die Stufen, die aufgezählt werden, können in einer gewissen Weise untereinander gemischt werden. Es ist nicht notwendig, die erste bis zur siebenten Stufe nach der Reihe durchzugehen. Es kann sein, daß man dazu angehalten wird, etwas aus den sieben Stufen vorwegzunehmen und dann nach Maßgabe der Individualität eine Übung aufgegeben bekommt, die einer ganz andern Stufe entspricht. Vielleicht macht der Schüler das in einigen Jahren durch, vielleicht auch in einigen Monaten. Auf die Frage, wie lange man zur Einweihung braucht, hat Subba Row gesagt: Es kann siebzig Inkarnationen dauern oder auch sieben Inkarnationen, bei manchen dauert es sieben Jahre, bei andern sieben Monate oder nur sieben Tage oder auch nur sieben Stunden. - Das hängt ganz von der geistigen Reife ab, die ein Mensch schon erlangt hat. Die geistige Reife kommt bei dem einen schneller, bei einem andern langsamer zum Vorschein. Das hängt vom Karma ab. Man kann wohl die Frage aufwerfen, wie es kommt, daß ein bestimmter Mensch nicht hervortritt, obwohl er in einem früheren Dasein geistig sehr hoch stand. Vielleicht sind Hindernisse in seiner körperlichen und seelischen Anlage vorhanden. Darin liegt hauptsächlich die Aufgabe des Lehrers, diese Hindernisse fortzuräumen. Nicht ist maßgebend, welche äußere Physiognomie jemand im gewöhnlichen Leben besitzt. Es kann eine frühere Einweihung tief verborgen in der Seele
#SE097-185
17:38
ruhen und nur wegen irgendwelcher Hindernisse nicht hervorkommen.
Die erste Stufe der indischen Jogaschulung ist Yama. Das heißt etwa Unterlassung, Nichtvollziehung. Der Inder versteht darunter:
nicht töten, nicht lügen, nicht stehlen, nicht ausschweifen, nicht begehren. Wenn wir aber tiefer eindringen wollen in das, was der Inder damit meint, so müssen wir es in seinem ganzen Umfange nehmen. Wenn wir zum Beispiel auch Vegetarier werden, so haben wir uns das Töten doch noch nicht abgewöhnt. Unser Leben ist ohne Töten gar nicht möglich. Schon durch das Atmen töten wir dadurch, daß wir Kohlensäure ausatmen. Wenn nicht die grüne Pflanzendecke der Erde fortwährend die Kohlensäure aufnähme und den Sauerstoff zurück-gäbe, so könnten Menschen und Tiere nicht leben. Ein Teil der Joga-übungen besteht darin, sich gerade dieses Töten abzugewöhnen. Der Inder nimmt diesen Punkt sehr wichtig. Er würde auch zahlreiche Verkettungen in unserem heutigen sozialen Leben so auffassen, daß sie für ihn unter den Begriff des Stehlens fallen. Ein jeder von uns muß in irgendeiner Weise Geld einnehmen. Damit er dieses Geld bekommt, sind viele Bedingungen notwendig. Wenn wir einen Rock kaufen, können wir nicht wissen, ob nicht an dem Rock menschliches Blut hängt. Der Mensch denkt wenig darüber nach, wie er in sozialen Zusammenhängen steht und mitverantwortlich ist für das, was er tut. Wenn man die Dinge ernst nimmt, dann muß man sich für das verantwortlich fühlen, was durch einen selbst geschieht.
Dadurch hilft man den Mitmenschen am meisten, daß man bedürfnislos wird. Mehr als der Philanthrop hilft den Mitmenschen der, der bedürfnislos wird. Wenn man zum Beispiel keine unnötigen Briefe schreibt, so erspart das einigen Menschen vielleicht, viele Treppen hinaufsteigen zu müssen. Man ist sehr im Irrtum, wenn man glaubt, daß man den Menschen hilft, indem man größere Ansprüche hat und auf diese Weise für mehr Arbeit sorgt. Man vermehrt nicht im geringsten das, was die Menschen brauchen, wenn man ihnen Arbeit gibt. Unter den komplizierten Verhältnissen, die in Europa herrschen, wird es immer schwieriger, die von dem Orientalen geforderten Dinge durchauführen, um den Jogaweg zu gehen. In einem Lande, wo es
#SE097-186
17:39
keine Banken gibt, wo die Kulturverhäknisse zu übersehen sind, da kann man den Jogaweg in seiner strengen Weise gehen.
Das zweite ist Nyana, die Pflege eines Rituals. Das fordert der indische Jogaweg durchaus, daß der Mensch ein Ritual hat, daß er die Lehre mit einem Kultus verbindet. Von jedem, der den Jogaweg geht, wird streng verlangt, daß ein Ritual befolgt wird. Man muß die Dinge in Handlungen sichtbar vor sich haben. So wie es bei der Kunst auf wirkliche Ausprägung in äußeren Objekten ankommt, so kommt es bei dieser Einweihung darauf an, daß die Dinge im Ritual vorgeführt werden.
Das dritte ist Asana, die Übereinstimmung der menschlichen Körperhaltung mit gewissen Strömungen im Kosmos. Wo man noch ein Gefühl für solche Dinge gehabt hat, hat man beispielsweise in Kult-bauten immer den Hauptaltar nach Osten gebaut. Bei der feinen Organisation der Inder ist es von Bedeutung, in welcher Richtung er steht. Es gibt tatsächlich einen andern Strom von Norden nach Süden als von Osten nach Westen. Bei der Jogaeinweihung kommt es darauf an, wie die Körperhaltung ist, weil der orientalische Leib viel weicher ist und es sich in ihm viel mehr ausprägt, wenn er eine bestimmte Lage annimmt. Wollte der Europäer den orientalischen Jogaweg gehen, dann müßte er alle diese Dinge mitmachen.
Das vierte ist Pranayama, die Rhythmisierung des Atmungs-prozesses. Das wird uns am leichtesten verständlich, wenn wir daran denken, daß der Mensch durch seinen Atem in gegenwärtigen Verhältnissen tötet. Der Lehrer gibt dem Schüler die Vorschrift: Du sollst wenigstens eine gewisse Zeit nach den Regeln, die dir der Lehrer gibt, den Atmungsprozeß regeln. Würde man den Atem untersuchen, dann würde man sehen, daß die ausgeatmete Luft bei einem Jogaschüler eine ganz andere Zusammensetzung hat, einen ganz andern Gehalt an Kohlensäure als beim gewöhnlichen Menschen. Es trifft infolgedessen zu, daß er durch die Regelung des Atmungsprozesses tatsächlich auf die zukünftige Entwickelung der Erde einwirkt. Steter Tropfen höhlt den Stein. Man kann das nicht von heute auf morgen sehen. Aber das summiert sich und wird im Verfolg langer Zeiträume etwas ganz Bestimmtes bedeuten.
#SE097-187
17:42
Die Rhythmsierung des Atmungsprozesses läßt auch der rosenkreuzerische Lehrer zu einer bestimmten Zeit vornehmen.
Was bewirkt der Atmungsprozeß? Der physische Mensch ist ohne die Pflanzen nicht denkbar. Wir atmen Sauerstoff ein, der wird in der Lunge mit Kohlenstoff verbunden, und wir atmen Kohlensäure aus. Die Pflanze tut gerade das Umgekehrte. Ein fortwährender Kreislauf findet zwischen den Menschen einerseits und den Pflanzen andererseits statt. In fernen Zeiten wird der Mensch in sich selbst ein Organ ausbilden, welches das besorgen kann, was heute die Pflanze besorgt. Er wird imstande sein, die Kohlensäure in sich zu verarbeiten. Dies wird durch ein Organ ermöglicht werden, durch das der Mensch den Kohlenstoff loslöst vom Sauerstoff und ihn mit sich selbst vereint. Was wir heute zum Aufbau des Leibes mit der Nahrung aufnehmen, werden wir dann bewußt in uns selbst vollziehen. Dadurch werden wir die Kohlensäure wieder zu Sauerstoff verwandeln. Dieser Prozeß wird tatsächlich gefördert durch die Rhythmisierung des Atmungs-prozesses. Im 14. Jahrhundert wurde dies in den Rosenkreuzerschulen ausführlich gelehrt. Durch Verrat von einigen solchen Geheimnissen ist manches davon in die populäre Literatur gekommen. In einer Schrift des 18. Jahrhunderts steht etwas von dem Stein der Weisen. Was da steht, ist wörtlich richtig. Der Schreiber selbst hat aber wahrscheinlich gar nicht gewußt, worum es sich real handelt. Der ganze Mensch muß sich umändern, wenn er das vollziehen soll, was jetzt die Pflanze für ihn vollzieht. Sein physischer Leib wird dann selbst Kohlenstoff, aber das wird kein schwarzer Kohlenstoff sein, auch kein harter Diamant, der ja lediglich das Symbol für den Stein der Weisen ist. Unter diesem Stein der Weisen versteht man jenen Leib, der durchsichtig ist, in den die andern Organe eingegliedert sind. Er wird aus einer Masse von geleeartigem Kohlenstoff, ähnlich wie Eiweiß, bestehen. Der Mensch ist auf einer Bahn, in der er sich einstmals zu dieser wunderbaren Glorie entwickeln wird. Das rhythmische Atmen, welches dazu führt, nennt man Alchimie. Den Stein der Weisen nennt man Lapis philosophorum. Der Mann, der davon geschrieben hat, hat selbst nicht gewußt, was er schrieb.
Die fünfte Stufe des Jogapfades ist Pratyahara. Sie besteht darin,
#SE097-188
17:52
daß man imstande ist,
die Eindrücke der äußeren Sinne zu unterdrücken. Wir müssen uns klarmachen, was unsere eigentliche Seelenweit ist, und alles weglassen, was von außen auf uns eingedrungen ist. Das meiste, was der Mensch denkt, ist von außen in ihn hinein-gekommen. Wenn der Mensch sich bewußt dem inneren Gedanken hinzugeben vermag, wenn er sich blind und taub für seine Umgebung machen kann, und dabei doch innerlich wach ist, wenn er einen Ge­danken haben kann, ohne daß er auf Äußeres reflektiert, dann wird sein Schlaf von Träumen erfüllt, dann übt er Pratyahara.
Auf der sechsten Stufe hat man nicht nur das, was Augen sehen und Ohren hören können, völlig zu absorbieren, sondern auch innere Vorstellungen zu unterdrücken, die aus der Seele selbst aufsteigen. Nachdem man alles aus der Seele entfernt hat, was durch das Leben hinemgekommen ist, stellt man eine Vorstellung in das Innere der Seele. Diese gibt einem der Guru. Das können etwa solche Vorstellungen sein, wie sie in den vier ersten Lehren von «Licht auf den Weg» ent­halten sind. Die besten Seeleninhalte sind die, die einem ein spezieller Lehrer geben kann.
Nachdem ein solcher Seeleninhalt eine Zeitlang gewirkt hat, läßt man denselben heruntersinken, ohne bewußtlos zu werden. Man hat dann noch die Funktion des Geisteslebens als solche, ohne den Inhalt des Denkens.
Ist diese siebente Stufe erreicht, so dringt die geistige Welt in uns ein. Diesen Zustand nennt man Samadi.
Ebenso wie der Jogaweg hat auch die Schulung der christlichen Gnosis sieben Stufen. Diese Methode rechnet schon mit einem etwas vergröberten Leibe und ist besonders auf die Gefühls- und Empfindungswelt abgestellt. Der christliche Lehrer muß die Gefühls- und Empfindungswelt des Schülers leiten. Die sieben Stufen der christlichen Einweihung sind:

Erstens die Fußwaschung,

zweitens die Geißelung,

drittens die Dornenkrönung,

viertens die Kreuzigung,

fünftens der mystische Tod am Kreuz,

sechstens die Grablegung,

siebentens die Himmelfahrt.
Am besten ist es, daß wir diese sieben Stufen so durchnehmen, daß wir beschreiben, wie sich das Verhältnis zwischen Lehrer und Schüler abspielt. Der Lehrer sagt dem Schüler etwa: Sieh dir die Pflanze an!
#SE097-189
17:59
Sie wurzelt und wächst im
Gesteinsreich. Sie müßte, wenn sie sich an das Gesteinsreich wendet, zu ihm sprechen: Dir verdanke ich mein Dasein, nur durch dich kann ich leben - ich danke dir! - Ebenso müßte das Tier zum Pflanzenreich sprechen: Dir verdanke ich mein Dasein, nur durch dich kann ich leben. - Und wenn der Mensch die Natur um sich her und die Menschen, die noch unter ihm stehen, ansieht, so muß eine ähnliche Empfindung seine Seele durchziehen. Keine höhere Stufe kann sich entwickeln und erreicht werden, ohne daß die niederen Stufen da sind. Darum müssen die Menschen, die in einer höheren sozialen Lage sind, auch herniedersteigen zu den Tiefer-stehenden und ihnen danken. Dies hat der Christus Jesus in der Fußwaschung dadurch angedeutet, daß er sich zu den Jüngern nieder-beugte und ihre Füße wusch. Von dieser Empfindung der Dankbarkeit gegen alles unter ihm Stehende muß sich der Schüler auf der ersten Stufe der christlichen Einweihung ganz durchdringen. Was er erreicht, wird sich in zwei Symptomen zeigen. Erstens wird er in einer astralen Vision sich selbst in der Situation der Fußwaschung sehen. Das tritt bei jedem auf, der dies richtig durchmacht.

Zweitens wird er ein Gefühl haben, als ob Wasser seine Füße umspülte.
Auf der zweiten Stufe muß der Schüler alle Leiden des Lebens, die sich fortwährend um ihn herum abspielen, ertragen lernen. Er muß aufrechtstehen, auch wenn er die größten Schmerzen zu erdulden hat. Das Symptom ist, daß er in der astralen Vision sich selbst gegeißelt sieht und daß er an seinem Körper an verschiedenen Stellen etwas wie Nadelstiche fühlt.
Die dritte Stufe ist die Erlangung der Fähigkeit, zu ertragen, daß das Heiligste, was wir kennen, mit Spott und Hohn überschüttet wird. Der Lehrer sagt dem Schüler: Wenn du die Verhöhnung dessen, was dir das Heiligste ist, ertragen kannst und gleichwohl dafür eintrittst, dann bist du fähig, die Dornenkrone zu tragen. Der Schüler wird eine besondere Art von Kopfschmerz empfinden, wenn er diese Stufe erreicht hat.
Auf der vierten Stufe muß er lernen, den Leib als etwas ganz Äußerliches anzusehen, den Leib herumzutragen, wie wir sonst ein Instrument, einen Hammer oder ein anderes Werkzeug herumtragen.
#SE097-190
18:02
In manchen Schulen lernen die Schüler so von ihrem Leibe zu sprechen, daß sie sagen: Mein Leib geht durch die Tür - und dergleichen. Der Betreffende sieht sich auf dieser Stufe in der astralen Anschauung ans Kreuz geschlagen.
Er bekommt die Wundmale Christi an Händen und Füßen und an der rechten Seite des Leibes. Da treten in dem Moment seiner Meditation und Konzentration rote Stigmata auf.
Die fünfte Stufe ist der mystische Tod. Auf dieser Stufe hat der Mensch das Erlebnis, als ob sich ein Schleier zwischen ihn und die übrige Welt legte, wie ein schwarzer Vorhang. Dann erfährt er innerlich, was alles schlecht sein kann in der Welt. Das Hinabsteigen in die Hölle, das ist der mystische Tod. Darauf zeigt eine Vision das Zerreißen dieses Vorhangs.
Auf der sechsten Stufe erlangt man dann eine Empfindung, als ob alles andere der eigene Leib wäre. Man wird dann mit der Erde vereinigt. Das ist die Grablegung.
Die siebente Stufe, die Auferstehung, kann nicht mit Worten geschildert werden. Wer solche Gefühle in sich durchmacht, erlangt den Einblick in die geistige Welt.
Die dritte Art der Einweihung ist die rosenkreuzerische, die seit dem 14. Jahrhundert in Europa auftritt. Sie rechnet vor allem mit der Stärkung und Kräftigung des inneren Willens. Legt die orientalische Schulung das Schwergewicht auf das Denken, die christlich-gnostische auf das Fühlen, so ist die rosenkreuzerische Schulung auf die Ausbildung des Willens gerichtet. Die Stufen dieser Schulung sind:
Erstens das Studium,

zweitens die Imagination,

drittens das Erlernen der okkulten Schrift,

viertens die Rhythmisierung des Lebens,

fünftens das Verstehenlernen der Entsprechung von Mikrokosmos und Makrokosmos,

sechstens die Kontemplation oder das Versenken in den Makrokosmos,

siebentens die Gottseligkeit.
Das Studium erfordert, daß der Schüler die Geduld hat, gewisse Begriffe über die Welt zu gewinnen. Zunächst muß er von seinem Lehrer Lehren aufnehmen. Er muß zum Beispiel hingebungsvoll studieren, was die elementare Theosophie ihm als Lehren in die Hand geben kann. Er muß versuchen, diese Lehren zu durchdringen, so gut er kann. Das geduldige Aneignen von Begriffen ist notwendig für
#SE097-191
18:06
jeden, der höher hinaufdringen will. Es ist dazu eine gewisse Trainierung des Denkens erforderlich, eine Angewöhnung, im reinen Elemente des Denkens zu leben und zu weben. Für die, welche die rosenkreuzerische Einweihung erlangen und den Geist trainieren wollen, sind solche Bücher geschrieben wie «
Die Philosophie der Freiheit» und «Wahrheit und Wissenschaft». Es kommt darauf an, die für manche unendlichen Schwierigkeiten zu überwinden, den Gedanken zu verfolgen und zu erkennen, wie ein Gedanke sich aus dem andern mit Notwendigkeit herausspinnt. Bei der orientalischen Schulung ist eine strenge Unterwerfung unter den Guru erforderlich. Bei der christlich-gnostischen Schulung muß der Schüler in das Zentrum des Strebens den Christus stellen. In der christlich-rosenkreuzerischen Schulung steht der Lehrer ihm als Freund und Ratgeber zur Seite.
In den höheren Gebieten kann man viel leichter straucheln, deshalb muß man eine innere Sicherheit haben. Im gewöhnlichen Leben rückt uns das Leben selbst zurecht. Manchmal korrigiert das Leben unsere Irrtümer in furchtbarer Weise. Diese Korrektur hat man nicht, wenn man in die höheren Welten aufsteigt. Darum muß man in der orientalischen Schulung mit den Augen des Guru sehen, durch ihn fühlen. Einen Ratgeber hat man an dem europäischen Lehrer. Beim Hinaufsteigen in die höheren Welten braucht man jedenfalls noch eine andere Richtschnur. In der astralen Welt sind ganz andere Wahrnehmungen als in der physischen Welt; ebenso in der devachanischen Welt geht uns eine neue Welt von Wahrnehmungen auf. In Bezug auf die Eindrücke sind die drei Welten ganz verschieden. Aber eins ist bei allen gleich:
das logische Denken. Das kann uns ein sicherer Führer sein auf dem Astralplan und dem Devachanplan. Wenn man durch das Studium gelernt hat, folgerichtig zu denken, so kann man sich auch auf dem Astral- und Devachanplan helfen. Für den Buddhiplan gilt die Logik des physischen Planes allerdings nicht mehr.
Die zweite Stufe der Rosenkreuzerschulung ist die Imagination. Diese soll bei dem europäischen Schüler nicht übereilt angestrebt werden, weil er leicht straucheln kann. Der Mensch muß lernen, ein moralisches Verhältnis zu den Dingen einzugehen. Man hat in allen vergänglichen Dingen ein Gleichnis für ein Ewiges zu sehen. Schauen
#SE097-192
18:09
wir in diesem Sinne die Natur an, so wird beispielsweise die Herbst-zeitlose für uns das Sinnbild für eine einsame Wesenheit, die in Melancholie aufwärtsstrebt.
Das Veilchen ist dann ein Symbol für etwas, was in anspruchsloser, ruhiger Schönheit sein Dasein erfüllt. Jeder Stein regt in uns Gedanken an - er ist ein Gleichnis für etwas, was dahintersteht. Dadurch wird die Welt um uns reicher. Die Dinge ver­raten uns ihr innerstes Wesen. Die eine Blume wird dann zur Träne, durch welche die Erde ihr Leid ausspricht, die andere zum Ausdruck der Freude. Betrachten wir etwa ein Reiskörnchen, so können wir beobachten, wie eine kleine Flamme daraus hervorwächst. Die kleine Flamme wird zum Bilde für das, was nachher als Halm daraus empor-sprießt.
Drittens kommt eine Stufe, wo aus allen Wesen eine ganze geistige Welt aufgeht. Es schwebt über den Dingen ihre geistige Wesenheit, ihr geistiger Inhalt.
Die ganze astralische Welt wird sichtbar. Man befindet sich dann wie in der Mitte von Meeresfluten und hat das Erlebnis, als ob man in einem Meer schwimmen würde. Man sieht wie herausgehoben die Farbe einer Tulpe und erkennt, daß diese das Gewand einer astralischen Wesenheit bildet.
Als dritte Stufe folgt für den Schüler das Erlernen der okkulten Schrift. Wenn wir in der Astralwelt wirklich leben wollen, dann müssen wir die okkulte Schrift kennen. In der Welt sind viele Dinge nach der Figur des Wirbels gebaut:
# Bild s. 192
18:11
Diese Spirale finden wir sowohl im Orionnebel wie auch bei der Gestaltung von lebendigen Wesen. Die Menschen- und Tierkeime haben in einem früheren Stadium eine Spiralform. Der eine Teil verbildlicht das Physische, der andere Teil, der sich hineinschlingt,
das Astrale. Auch der Anbruch eines neuen Stadiums in der Menschheitsgeschichte wird durch das Zeichen zweier ineinander verschlungener
#SE097-193
18:12
Wirbel symbolisiert. Es ist dies das Tierkreiszeichen des Krebses. Als nach Untergang der alten Atlantis mit der urindischen Unterrasse die nachatlantische Epoche ihren Anfang nahm, ging die Sonne bei Frühlingsanbruch im Tierkreiszeichen des Krebses auf. Wenn man die okkulte Schrift kennt, lernt man sich in der Astralwelt orientieren.
Als vierte Stufe folgt das Erlernen des Lebensrhythmus. Der Schüler bekommt die Anweisung zu einer bestimmten Regelung des Atmens. In der Natur verläuft alles rhythmisch. Eine jede Pflanze blüht rhythmisch zu derselben Zeit. Auch im Tierreich kann man den Rhythmus verfolgen. So ist das Tier nur zu bestimmten Zeiten des Jahres befruchtungsfähig. Beim Menschen aber geht der Rhythmus ins Chaos über. Der Mensch muß einen neuen Rhythmus für sein Leben schaffen. Bei vielen Menschen gibt es nur einen erzwungenen Rhythmus. Im allgemeinen gibt es bei den Menschen keinen freiwilligen Rhythmus. Für die Rhythmisierung des Lebens muß der Rosenkreuzer sorgen. In den Atmungsprozeß wird man durch die spezielle Anweisung des Lehrers Rhythmus hineinbringen.
Das fünfte ist die Erlernung der Entsprechung von Mikrokosmos und Makrokosmos. Es gibt ein gewisses Band zwischen dem Menschen und allen Dingen der Welt um ihn her. Bei dem gewöhnlichen Menschen kommt das nur heraus in der Liebe zwischen den zwei Geschlechtern, in dem Gefühl, wie der eine in dem andern gerade das findet, was ihm verwandt, vertraut ist, was zu ihm gehört. Auf diesem geheimnisvollen Verhältnis der Welt zum Menschen beruht aber vieles. Darauf beruht zum Beispiel, daß Paracelsus herausfand, wie gewisse Pflanzen in Beziehung zum Menschen stehen. Ebenso das Verhältnis anderer Substanzen zum Menschen lernte er durch diese Fähigkeit kennen. Er nannte einen Cholerakranken einen Arsenicus, weil Arsenik bei dem gesunden Menschen gerade dieselben Symptome eintreten läßt, wie sie sich bei einem Cholerakranken zeigen. Man kann ein persönliches Verhältnis, ein Liebeverhältnis zu allen Dingen in ganz rein geistiger Beziehung haben. Das muß besonders geübt werden. Man kommt dazu, wenn man ganz bestimmte Anweisungen befolgt. Wenn man mit einem bestimmten Wort an den Punkt zwischen den Augenbrauen über der Nasenwurzel denkt, kommt man dazu, daß einem nach einiger Zeit die Erkenntnis eines ganz bestimmten Vorganges in der Welt aufgeht.
#SE097-194
18:18
Durch das Denken an das Innere des Auges erlangt man Kenntnis von der Natur der Sonne, von den Vorgängen, die sich abspielten, als Sonne und Erde noch einen Himmelskörper bildeten. Durch eine andere Übung erkennt der Mensch, was der Mond geistig ist, oder, was für einen Zustand die Erde vor achtzehn Millionen Jahren gehabt hat.
Dann folgt das Versenken in die Entsprechung von Mikrokosmos und Makrokosmos. Durch Konzentration auf den Punkt zwischen den Augenbrauen über der Nasenwurzel kann man eindringen in die Zeit, als das Ich in den Menschen hineinzog. Dann wächst der Mensch mit seinem Bewußtsein in den Makrokosmos hinein. Das muß er eine ganz bestimmte Zeit üben und so in alle Dinge hineinwachsen, ob sie fern oder nah sind. Siebentens folgt die Stufe der Gottseligkeit, wo man herauswächst aus der begrenzten leiblichen Hülle und mit dem Makrokosmos zu leben vermag.
Die Lehren werden dem Schüler gegeben nach dem okkulten Befund seines Wesens. Wenn der Schüler diese Stufen im realen Erleben durchgemacht hat, dann hat er den Gipfel der Erkenntnis höherer Welten erlangt.

4.262 parole

Nessun commento:

Posta un commento